November/2022

Der Freund und Förderer – Anton Gruscha

Unter den Zeitgenossen Adolph Kolpings gehört er zu den wenigen wirklichen Freunden des Gesellenvaters: Anton Gruscha ist zu Lebzeiten Kolpings nicht nur ein wichtiger Multiplikator, sondern er wirkt in der Habsburger-Monarchie als Kolpings alter ego und nimmt im Herbst seines Lebens die ersten Weichenstellungen vor, die gut 100 Jahre später zur Seligsprechung Kolpings führen.

Anton Josef Gruscha

Der Vater ist Schneider, die Mutter Stubenmädchen. Die Verhältnisse sind bescheiden, in denen Anton Gruscha am 3. November 1820 in Wien zur Welt kommt. Trotzdem ermöglichen die Eltern dem Buben den Besuch des Gymnasiums, nach dessen Abschluss tritt er 1839 ins Priesterseminar ein. Die ersten Wirkungsstätten des jungen Geistlichen sind in Niederösterreich, bevor er 1846 als Kooperator nach Wien, in die Pfarrei St. Leopold zurückkehrt. In den ausgehenden 1840er Jahren ist Gruscha einer der Wortführer der jungkatholischen Bewegung und zeigt Sensibilität für soziale Fragen. Dem Liberalismus und dem Sozialismus steht er ebenso kritisch gegenüber wie anfangs der christlich-sozialen Bewegung, deren teils antisemitischen Tendenzen er ablehnt. In Gruschas Augen müsse die Kirche ihre Aufgaben ohne Zutun von Staat oder Parteien erfüllen.

Inzwischen Professor am Wiener Theresianum, macht Anton Gruscha 1852 die Bekanntschaft Adolph Kolpings bei dessen Besuch in Wien. Kolping gewinnt ihn als Präses des neugegründeten Gesellenvereins Wien-Zentral. Gruscha ist Charismatiker; einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt und so oft und gerne auch zu politischen Themen, etwa zur Sozialen Frage Stellung bezieht. Immer wieder ist er auf den Katholikentagen präsent, die bis 1877 noch reichsweit stattfinden. Seine rhetorische Begabung bringt Anton Gruscha 1855 als Domprediger nach St. Stephan in Wien. In ganz Österreich forciert er die Gründung von Gesellenvereinen und arbeitet für Kolping im heutigen Sinne als Netzwerker. 1862 begleitet Gruscha Adolph Kolping bei dessen Besuch bei Papst Pius IX. nach Rom, 1863 sorgt er, der auch Beichtvater der Kaiserin ist, für eine Visite Kaiser Franz-Josephs beim Wiener Gesellenverein. Daneben fördert er nach Kräften das katholische Vereinsleben im Habsburger-Reich. Nachdem Gruscha 1862 eine Professur für Pastoraltheologie an der theologischen Fakultät der Universität Wien angetreten hat, avanciert er 1866 zu deren Dekan.

Durch den Kaiser 1878 zum Apostolischen Feldvikar berufen und vom Wiener Kardinal Kutschker zum Bischof geweiht, reißt Gruschas Kontakt zu Kolping nie ab. Über einen Besuch in Graz schreibt er nach Köln: „Kann Dir’s aufrichtig gestehen, dass ich übergroße Freude hatte über den herzlichen, gutmütigen Empfang, den mir die Steirer und in mir, eigentlich Dir, bester Freund, bereitet haben.“ 1888, inzwischen ist Gruscha Generalpräses aller Gesellenvereine der Monarchie, wird das Kolpinghaus in Wien eingeweiht.

1890 wird Anton Gruscha Erzbischof von Wien und im Jahr darauf in den Kardinalsrang erhoben. Er gehört in dieser Funktion auch dem österreichischen Herrenhaus (erste Kammer der Legislative neben dem Abgeordnetenhaus) sowie dem niederösterreichischen Landtag an und nimmt 1903 am Konklave zur Wahl Pius X. in Rom teil. In seiner Bischofszeit fördert Gruscha, bereits zuvor selbst publizistisch sehr aktiv, durch die Gründung des Piusvereins die katholische Presse Österreichs und begründet die Männerwallfahrten nach Mariazell und Klosterneuburg.

1906 richtet Anton Gruscha erfolgreich die Bitte an den Kölner Kardinal Fischer, den Seligsprechungsprozess für Adolph Kolping einzuleiten. Die letzten Lebensjahre sind für Anton Gruscha durch Erblindung und Taubheit gekennzeichnet, weshalb er in der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben auf Unterstützung angewiesen ist. Anton Kardinal Gruscha stirbt am 5. August 1911 im niederösterreichischen Kranichberg.


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