September/2022

Vater der Heimarbeiter – Hugo Karpf

Sein Einsatz für die Heimarbeiter ist nur eine von vielen Facetten seines Lebenswerkes; er ist Gewerkschaftsfunktionär, Abgeordneter in mehreren Parlamenten – der Schneidergeselle Hugo Karpf hinterlässt seine Spuren in der fränkischen Kommunalpolitik genauso wie in der bayerischen und deutschen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Hugo Karpf

Sein Einsatz für die Heimarbeiter ist nur eine von vielen Facetten seines Lebenswerkes; er ist Gewerkschaftsfunktionär, Abgeordneter in mehreren Parlamenten – der Schneidergeselle Hugo Karpf hinterlässt seine Spuren in der fränkischen Kommunalpolitik genauso wie in der bayerischen und deutschen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Karpf kommt am 17. Januar 1895 als neuntes von 12 Kindern einer Kleinbauernfamilie in der Nähe von Würzburg zur Welt. Sein Vater amtiert als Bürgermeister in dem 300-Seelen-Dorf. Die ganze Familie muss auf dem Feld mitarbeiten, um das Auskommen zu sichern. Hugo Karpf macht in Aschaffenburg eine Ausbildung zum Industrieschneider und erfährt hierbei durch die Lehrlingsabteilung des Gesellenvereins wertvolle Unterstützung. 1912 wird er nach Abschluss seiner Lehre in den dortigen Gesellenverein aufgenommen.

Bereits in dieser Zeit kommt Karpf mit den Notlagen der Heimarbeiter in Berührung, wo frühere Handwerksgesellen nun als Lohnkräfte für die Industrie tätig sind. Er tritt dem Windhorstbund bei; die Arbeitersekretäre und ein gewerkschaftlicher engagierter Senior des Gesellenvereins prägen den jungen Mann, dessen Wanderschaft bis nach Elberfeld führt. Nach Kriegsteilnahme und Gefangenschaft kehrt Karpf 1919 nach Franken zurück, wo er bald zum Senior des Gesellenvereins gewählt wird. Fortbildungen in Freiburg und Köln sowie Begegnungen mit den Zentrumspolitikern Ernst Föhr und Heinrich Brauns verstärken sein gewerkschaftliches und wecken sein politisches Interesse.

In Aschaffenburg wirkt Hugo Karpf zunächst als Vorsitzender des Ortskartells der christlichen Gewerkschaften, hernach als Leiter der Verwaltungsstelle. In diesen Funktionen knüpft er Kontakte in die Zentrumspartei bis hin zu Heinrich Brüning, um für gesetzliche Maßnahmen zugunsten der Heimarbeiter zu werben. 1927 ist es Karpfs Einsatz zuzuschreiben, dass in Franken ein langwieriger Arbeitskampf mit Verbesserungen für die Arbeiterseite beendet werden kann.

1925 gehört Hugo Karpf zu den Gründern der Christlich-Sozialen Partei in Unterfranken, ab 1927 ist er Mitglied der Bayerischen Volkspartei. Für sie wird er im Juli 1932 als Abgeordneter in den Reichstag gewählt, die Wiederwahl im November verfehlt Karpf, weshalb er an der Abstimmung über das NS-Ermächtigungsgesetz nicht beteiligt ist. Erst von Juli bis November 1933 gehört er wieder als Nachrücker dem Parlament an. Die „Machtergreifung“ zieht das berufliche Aus für Hugo Karpf nach sich; bis Kriegsbeginn schlägt er sich als Packer und Hilfsarbeiter durch. Bei einer Hausdurchsuchung der SA im Juni 1933 entgeht er nur knapp der Verhaftung. Als „politisch unzuverlässig“ wird er nicht zur Wehrmacht eingezogen, sondern im Wehrbezirkskommando verpflichtet.

Zusammen mit Adam Stegerwald und Josef Müller plädiert Hugo Karpf in Bayern nach Kriegsende für die Bildung einer neuen, konfessionsübergreifenden christlichen Partei nach dem Vorbild der CDU: Im Oktober 1945 wird Karpf erster Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Partei in Aschaffenburg, die später mit der CSU fusioniert. 1946 erringt er ein Mandat im Stadtrat und sitzt auch in der verfassungsgebenden Versammlung. Nachdem ihm die Wahl in den Landtag 1946 nicht gelingt, schickt das Maximilianeum Hugo Karpf 1947 in den Frankfurter Wirtschaftsrat der Bi-Zone.

1949 zieht Karpf zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag ein und wird 1953 wiedergewählt; in diese Zeit fällt seine Arbeit am 1951 verabschiedeten Heimarbeitergesetz. Der gelernte Schneider sitzt seit 1949 auch im Hauptverstand der Gewerkschaft Textil-Bekleidung und amtiert für 12 Jahre als Richter am Bundesarbeitsgericht. Versehen mit hohen Auszeichnungen wie dem großen Bundesverdienstkreuz, der Ehrenbürgerwürde in Aschaffenburg oder dem Ehrenzeichen des Kolpingwerkes Deutschland verstirbt Hugo Karpf 1994 im Alter vom 99 Jahren.


Foto: Archiv Kolpingwerk Deutschland