Juli/2021

Ein Sozialexperte und Gentleman – Manfred Kostka

1945 ist er gerade einmal vier Jahre alt, als er seine Heimat in der Nähe von Danzig verlassen muss. Ohne Vater, der im Krieg bleibt, macht sich die kleine Familie auf den Weg nach Westen, die Oma im Schlepptau.

Verlust von Heimat, Hab und Gut, Neubeginn in Niedersachsen: Sicher auch ein Grund dafür, dass Manfred Kostka später seinen Kindern als Devise mitgibt, den Blick immer nur nach vorn zu richten.

In Sachen Kolping ist Manfred Kostka eher ein „Spätberufener“, wenn man so will. Zunächst einmal engagiert er sich bei den Pfadfindern, bei denen er schon in jungen Jahren lernt, Verantwortung zu übernehmen. Sein beruflicher Weg führt ihn über die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachmann zur AOK. Dank Fleiß und Weiterbildung bleibt es nicht dabei. Kostka ist stellvertretender Geschäftsführer bei der AOK Peine, bevor er selbst auf dem Chefsessel sitzt, nunmehr in Celle. Seine Expertise ist auch bei der AOK-Akademie gefragt, bei der er als Dozent wirkt.

Über Heinz-Peter Miebach, der 1987 als Militärpfarrer und als neuer Pastor nach Celle in die Pfarrei St. Johannes kommt, findet Manfred Kostka den Weg zum Werk des Gesellenvaters; Miebach ruft 1991 eine Kolpingsfamilie ins Leben, Kostka gehört zu den Gründungsmitgliedern und wird gleich zuständig für "Arbeit und Soziales". Zu diesem Zeitpunkt ist er in Kolpingkreisen kein Unbekannter mehr, zumal er in der Kirchengemeinde engagiert ist. Ein AOK-Geschäftsführer, der päpstliche Sozialenzykliken liest, über katholische Soziallehre vorzutragen weiß und sich darüber hinaus als Fan der Sozialen Selbstverwaltung outet? Vielleicht ungewöhnlich, aber zu Kolping passt das.

Manfred Kostka folgt 1991 dem Ruf, sich im Hildesheimer Diözesanvorstand um das Handlungsfeld "Arbeit und Soziales" zu kümmern. Das behält er auch im Auge, als er beruflich stärker eingebunden ist und sich im Kontext der deutschen Wiedervereinigung zusätzlich um den Aufbau der Sozialversicherung in der Region Ost kümmern muss. Überhaupt der Osten: Geprägt durch das eigene Erleben ist Kostka Völkerverständigung eine Herzenssache. Er arbeitet in der deutsch-russischen Gesellschaft, unterhält private Kontakte in die Ukraine. Andere Kulturen faszinieren ihn – und die studiert er gerne vor Ort.

Auch in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmer-Organisationen (ACA) hinterlässt Manfred Kostka Spuren. Auf Bundesebene und in der ACA Niedersachsen-Bremen organisiert er zusammen mit seiner Frau die regelmäßige Fortbildung der Sozialrichter. 2004 wird Manfred Kostka in den Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland gewählt, wo er bis zu seinem Ausscheiden 2007 die Leitung des Bundesfachausschusses "Arbeitswelt und Soziales" innehat. Sein Kurs dort ist pragmatisch: Ob Gesundheit, Pflege oder Rente – es geht um Reformen an Systemen, nicht um den Wechsel der Systeme.

Der eingeschriebene Sozialdemokrat und überzeugte Gewerkschafter hat seinen eigenen Diskussionsstil: Werden andere laut, punktet Manfred Kostka mit Ruhe und Argumentation in der Sache. Das gilt im Bundesvorstand, wenn er aus der Arbeit des Fachausschusses berichtet oder wenn er im Seminar haarklein die Vor- und Nachteile im SGB II seziert. Bei Kolping, so sagt Manfred Kostka rückblickend, sei stets die „hohe soziale Sensibilität“ zu spüren. Diese Empathie, gepaart mit hoher Fachkompetenz zeichnet seine Arbeit im Verband aus. Dieser würdigt Kostkas Arbeit 2007 mit der Verleihung des Ehrenzeichens des Kolpingwerkes Deutschland.

In der Folge eines Verkehrsunfalls bei Glatteis liegt Manfred Kostka über längere Zeit im Koma und muss sich langsam ins Leben zurückkämpfen. Seine ehrenamtliche Arbeit kann er danach nicht mehr fortsetzen. Er stirbt 2020 im Alter von 79 Jahren in Celle.


Foto: Archiv Kolpingwerk Deutschland