Juni/2024

Geschlechtergerechtigkeit im Kolpingwerk Deutschland fördern und verankern

Das Grundgesetz bestimmte vor 75 Jahren in Artikel 3: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes (…) benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Inzwischen ist durch wissenschaftliche Forschung belegt, dass das, was unter Geschlecht hier zu verstehen ist, über die klassische binäre Vorstellung von Mann und Frau hinausgeht.

Der Mensch und seine Geschlechtlichkeit sind vielfältiger. Es gibt Menschen, die auf Grund von hormonellen, anatomischen oder genetischen Gründen nicht in die beiden Kategorien weiblich und männlich einzuordnen sind, zum Beispiel intersexuelle Menschen. Von dem biologischen Geschlecht eines Menschen (engl. „Sex“) unterscheidet sich das soziale Geschlecht (engl. „Gender“). Damit wird die eigene Geschlechtsidentität und die damit verbundene Selbstwahrnehmung beschrieben. In diese fließen auch die an das Individuum gestellten stereotypischen Erwartungen an das bei der Geburt zugeschriebene biologische Geschlecht ein, welche das eigene Verhalten und Handeln beeinflussen. Diese persönliche Wahrnehmung des sozialen Geschlechts kann sich aber durchaus vom biologischen Geschlecht unterscheiden. Sex und Gender sind demnach nicht dasselbe und auch nicht immer binär eindeutig. Genauso wie das biologische Geschlecht vielfältig ist, ist auch das soziale Geschlecht nicht auf zugeschriebene Rollenbilder und gesellschaftliche Erwartungen an ein „typisches“ Verhalten von Mann und Frau begrenzt. Es soll deshalb allen Menschen möglich sein, ihr soziales Geschlecht selbst zu bestimmen. Das Bewusstsein der eigenen Identität sollte dabei nicht in Frage gestellt werden.

Als katholischer Verband setzen wir uns ganz im Sinne Adolph Kolpings und dem christlichen Menschenbild entsprechend für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ein. Dies hat immer auch genderbezogene Aspekte. Unsere Wertschätzung für alle Menschen soll, wie der Orientierungsbeschluss des Bundesvorstandes „Alle Menschen sind Ebenbilder Gottes“ vom 10./11. Dezember 2021 bekundet, zukünftig noch stärker in Wort und Tat zum Ausdruck kommen. Dabei sollen unbegründete Ängste abgebaut, sensibilisiert und aufgeklärt werden. Ideologisch aufgeladene Debatten sollen vermieden werden. „Wir heißen deshalb in unserer familienhaften Gemeinschaft Menschen mit allen Geschlechtsidentitäten willkommen und stellen uns bewusst gegen bestehende Diskriminierungen in Gesellschaft und Kirche.“ Da durch Sprache das Denken bestimmt wird und aus dem Denken Realität entsteht, empfahl der Bundesvorstand im Verband einen geschlechtersensiblen Sprachgebrauch in Wort und Bild zu etablieren, der Ausdruck von Gleichberechtigung und von einer wertschätzenden, integrativen, sozialen und offenen Haltung gegenüber allen Menschen ist.

Auf der Bundesversammlung im November 2022 wurde nach langen Beratungen mit großer Mehrheit beschlossen, auf der Bundesebene mit seinen Einrichtungen und Unternehmen eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden und dabei den „Genderstern“ als Sonderzeichen zu verwenden. In allen Untergliederungen des Verbandes soll, so der Beschluss der Bundesversammlung, der Sensibilisierungs- und Erkenntnisprozess bis zum Bundeshauptausschuss 2024 fortgeführt werden. Bei dieser Gelegenheit soll der Prozess reflektiert und über eine weitergehende Verwendung des Gendersterns beraten werden.

Alle Kolpingmitglieder und Mitarbeitenden des Kolpingwerkes Deutschland und seiner Gliederungen sowie Einrichtungen und Unternehmen sind also aufgerufen, das Bewusstsein für mehr Sensibilität zu schärfen und sich eine Meinung zu bilden. Dazu bieten wir auf der » Übersichtsseite Gendern eine Reihe von Materialien, die der Auseinandersetzung mit der Thematik dienen.


Illustration: Maria Zalfen-Lenz