Juli/2021

Fest verbunden

Aus zwei wird eins: Die Kolpingsfamilien Warstein und Hirschberg im Diözesanverband Paderborn haben vor einigen Jahren den Schritt gewagt, gemeinsam Zukunft zu gestalten, und sind fusioniert. Wie das gelungen ist, erzählt der dritte Teil der Serie „Neuaufbrüche“.

Seit 2017 unter einem gemeinsamen Deckmantel: Die beiden ehemaligen Kolpingsfamilien Warstein und Hirschberg.

Fusionen kennt die Weltgeschichte viele. Sie schmerzen etwas, sind manchmal mit Einbußen verbunden, häufig aber notwendig, um zukunftsorientiert weiter zu leben und gemeinsam neue Wege zu gehen. Nicht nur Banken oder Sportmannschaften können davon sprechen, auch bei Kolping sind Fusionen immer wieder ein Thema. Zu wenige Mitglieder oder personelle Probleme bei der Besetzung des Vorstandes sind dabei klassische Gründe, die Kolpingsfamilien in den letzten Jahren immer wieder dazu gebracht haben, sich zusammenzuschließen. Bundesweit gab es seit 2010 bei Kolping auf Ortsebene insgesamt 24 Fusionen.

Zwei, die aus eigenen Erfahrungen davon berichten können, sind Josef Pieper und Wolfgang Heppelmann. Pieper ist seit 2017 erster Vorsitzender der Kolpingsfamilie Warstein-Hirschberg im Diözeanverband Paderborn, Heppelmann sein Stellvertreter. Dass die beiden Kolpingmitglieder irgendwann in einem gemeinsamen Vorstand sitzen, hätten sie vor einigen Jahren noch nicht gedacht.

Kolpingsfamilien mit Geschichte

Aber von Beginn an: Bereits 1870 gründete sich der „Gesellenverein zu Warstein“, aus dem die Kolpingsfamilie Warstein entstand. „Warstein ist damit eine der ältesten Kolpingsfamilien in der Region“, erzählt Pieper fast ein wenig stolz. Er kennt sich aus. Gebürtig aus Warstein, ist er als Jugendlicher in die Kolpingsfamilie eingetreten und war lange Zeit Vorsitzender.

Das Programm der Warsteiner war in den vergangenen Jahrzehnten vielseitig und bunt: Da gibt es von verschiedenen Vorträgen und Themenabenden bis zur jährlichen Familienwanderung in der Umgebung immer wieder Angebote. Für die jüngere Generation sorgt die Gruppe Jungkolping mit einer eigenen Prinzengarde. Rund 200 Mitglieder unterschiedlichster Altersgruppen hatten die Warsteiner zum Zeitpunkt der Fusion.

Die Kolpingsfamilie Hirschberg gründete sich deutlich später als die Warsteiner: 1946, ein Jahr nach Kriegsende. Nur wenige Kilometer von Warstein entfernt, führten die Kolpingmitglieder auch dort regelmäßig ein vielfältiges Programm durch, teils sogar mit Warstein zusammen. Wolfgang Heppelmann kann sich daran gut erinnern. Er ist seit 1979 Mitglied der Kolpingsfamilie Hirschberg und hat dort viele Veranstaltungen miterlebt.
 

„Uns war klar: Wenn wir so weiter machen, haben wir keine Zukunft mehr.“
Wolfgang Heppelmann, zweiter Vorsitzender der Kolpingsfamilie Warstein–Hirschberg
Wolfgang Heppelmann, zweiter Vorsitzender der Kolpingsfamilie-Warstein-Hirschberg.

Wie geht es weiter?

Neben einem etablierten Programm haben die Hirschberger seit einigen Jahren allerdings auch mit Herausforderungen zu kämpfen. 
Im Jahr 2014 hatte die Ortsgruppe rund 50 Mitglieder. „Viele von ihnen waren schon älter, gerade auch im Vorstand“, berichtet Heppelmann, der zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Kolpingsfamilie Hirschberg war. „Wir hatten das Problem, dass wir nicht mehr genügend Mitglieder in der Kolpingsfamilie fanden, die sich für den Vorstand bereitstellen.“

Innerhalb der Kolpingsfamilie habe es auch die Angst gegeben, dass der Ortsverband sich auflösen muss – so ist es ein paar Jahre zuvor der benachbarten Kolpingsfamilie Mülheim-Sichtigvor ergangen. Heppelmann und andere Mitglieder wollten das auf jeden Fall verhindern. „Uns war klar: Wenn wir so weiter machen, dann haben wir keine Zukunft mehr als Kolpingsfamilie“, erzählt der 57-Jährige.

Mit der Kolpingsfamilie Warstein habe man schon immer guten Kontakt gehabt. Nach Gesprächen mit den Warsteinern, die von Anfang an Bereitschaft zu einer Fusion zeigten, reifte der Gedanke eines Zusammenschlusses immer mehr. Wie dieser aussieht, war den Kolpingmitgliedern schnell klar. 

Welche Möglichkeiten es gibt

Das Kolpingwerk bietet seinen Gruppen auf Ortsebene verschiedene Varianten der Fusion und alternative Vorgehensweisen an: Eine Möglichkeit ist, dass sich eine Kolpingsfamilie auflöst und einer anderen Kolpingsfamilie beitritt (Beitritt). 

Ein weiterer Weg besteht in der Auflösung zweier (oder mehr) Kolpingsfamilien, mit dem Ziel, eine neue Kolpingsfamilie zu gründen (Auflösung und Neugründung). 

Die dritte klassische Möglichkeit der Fusion besteht darin, dass sich zwei (oder mehr) Kolpingsfamilien zu einer gemeinsamen Kolpingsfamilie zusammenschließen. Der Vorteil der klassischen Fusion ist, dass alle bisherigen Mitglieder automatisch Mitglieder der fusionierten neuen Kolpingsfamilie werden. Die Organisation von Eintritten, neuen Mitgliedsanträgen und eventuellen Einzelmitgliedschaften entfällt somit.

Auch Hirschberg und Warstein entschieden sich mit Unterstützung und Beratung aus dem Diözesanverband für diesen Weg. „Uns war letztlich ein Automatismus wichtig, um keine Mitglieder zu verlieren“, berichtet der damalige Vorsitzende der Kolpingsfamilie Warstein, Josef Pieper. „Hätte jemand bewusst aktiv wieder neu eintreten müssen, wären uns eventuell ein paar Mitglieder auf der Strecke geblieben. Das wollten wir vermeiden.“
 

Viele Fragen zu klären

Bevor Anfang 2017 in den jeweiligen Mitgliederversammlungen der Kolpingsfamilien über die Fusion abgestimmt wurde und eine gemeinsame Gründungsversammlung erfolgen konnte, mussten nach dieser Entscheidung Schritt für Schritt zahlreiche Fragen geklärt werden – und das nahm Zeit in Anspruch. „Uns war es wichtig, alle Mitglieder einzubinden und die Fusion nicht übers Knie zu brechen“, meint Pieper. 

Welche Beiträge werden zukünftig erhoben? Wie kann man die beiden Kassen gut zusammenführen? Und wo finden in Zukunft die Vorstandssitzungen statt? Offene Punkte, wie unter anderem diese, standen auf der Agenda der gemeinsamen Absprachen. Auf viele Fragen fanden die beiden Kolpingsfamilien schnell Antworten. „Als es hieß, dass die Namen der neuen Kolpingsfamilie nicht zwingend alphabetisch geordnet werden müssen, war uns schnell klar, dass der Name der größeren Kolpingsfamilie, also Warstein, nach vorne kommt“, berichtet Pieper. Auch bei den Örtlichkeiten fanden die Kolpingmitglieder eine passende Lösung. „Wir haben beschlossen, sowohl die Räumlichkeiten von Warstein, als auch von Hirschberg zu nutzen“, so Pieper.„So findet zum Beispiel der Kolping-Gedenktag jedes Jahr abwechselnd in Warstein und in Hirschberg statt.“

Die Warsteiner Waldwirtschaft befindet sich genau zwischen den beiden Orten Warstein und Hirschberg – ein geeigneter Treffpunkt für die Gründungsversammlung.

Gründung in der Mitte

Nachdem alle Fragen geklärt waren, führten die beiden Kolpingsfamilien im Frühjahr 2017 getrennt Mitgliederversammlungen durch. In diesen stimmten die beiden Kolpingsfamilien jeweils einstimmig über die Fusion ab. Damit stand einer gemeinsamen Gründungsversammlung nichts mehr im Wege. 

Am 5. Juli 2017 fanden sich Mitglieder aus beiden Kolpingsfamilien in der „Warsteiner Waldwirtschaft“ im Bilsteintal ein. Der Ort wurde dabei nicht zufällig ausgewählt: Die Wirtschaft liegt genau in der Mitte der beiden Orte Warstein und Hirschberg – für einen Zusammenschluss der perfekte Ort. 

Einstimmig beschlossen die Anwesenden an diesem Tag die neue Satzung und wählten das neue Vorstandsteam. Josef Pieper als bisheriger Vorsitzender der Kolpingsfamilie Warstein wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt, Wolfgang Heppelmann als bisheriger Vorsitzender der Hirschberger zu seinem Stellvertreter. Der Rest des Vorstands setzte sich zu zwei Dritteln aus Warsteiner Mitgliedern und zu einem Drittel aus Hirschberger Mitgliedern zusammen.

Nach dem Startschuss der neuen Kolpingsfamilie ist das Programm erst einmal ähnlich weitergelaufen wie zuvor. „Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass es ein Feuerwerk an neuen Ideen gab“, meint Pieper. „Im Prinzip haben wir nach der Fusion das Gleiche gemacht – nur unter einem neuen Deckmantel.“ Die beiden Kolpingsfamilien spielten sich schnell aufeinander ein. Auch, weil man sich zuvor bereits gut kannte und einige Veranstaltungen gemeinsam durchgeführt hatte. 

Ab und an merke man den Zusammenschluss trotzdem, so Heppelmann. „Bei einer Veranstaltung in Warstein sind eher Warsteiner da, bei einer Veranstaltung in Hirschberg eher die Hirschberger“, meint Heppelmann schmunzelnd. Nichtsdestotrotz sind die beiden Kolpingsfamilien im Rückblick zufrieden mit ihrer Entscheidung.

Die beiden Vertreter der Jugend, Hendrik Hilwerling (l.) und Andre Steinrücke freuen sich, nach der Coronazeit wieder Programm machen zu können.
„Uns war es wichtig, alle Mitglieder einzubinden und die Fusion nicht übers Knie zu brechen.“
Josef Pieper, Vorsitzender der Kolpingsfamilie Warstein-Hirschberg

Der richtige Weg

Daran konnte auch die Corona-Pandemie nichts ändern. Viele Treffen waren währenddessen nicht möglich. Erst seit wenigen Wochen laufen wieder die ersten Vorbereitungen für kommende Veranstaltungen. „Wir haben jetzt endlich unser Programm für das nächste Halbjahr planen könnnen, was unter dem Thema Stadtentwicklung stehen wird“, erzählt Heppelmann. Auch der Vertreter der Jugend, Andre Steinrücke, freut sich, dass es allmählich wieder losgeht: „Letzte Woche haben wir mit der Kolpingfußballgruppe endlich wieder spielen können.“ 

Josef Pieper, erster Vorsitzender der Kolpingsfamilie Warstein-Hirschberg.

Die Mitglieder der Kolpingsfamilie wirken mit den Aktivitäten vor Ort zufrieden. Was ohne eine Fusion passiert wäre, steht in den Sternen. Dass der Zusammenschluss der richtige Weg war, da sind sich alle Beteiligten einig. Mit ihrer Fusion sind sie für andere sogar Vorbild. Die beiden benachbarten Kolpingsfamilien in Allagen und Belecke haben sich 2019 zusammengeschlossen und sich in ihrer Vorgehensweise dabei stark an Warstein und Hirschberg orientiert. Auch hier lag der Hauptgrund für die Fusion in der Herausforderung, die Vorstandsämter personell zu besetzen. Die beiden fusionierten Kolpingsfamlie Allagen-Belecke und Warstein Hirschberg liegen nur wenige Kilometer auseinander und gehören demselben Bezirksverband Möhne-Lippe an. 

Dass in Zukunft irgendwann eine Fusion zu viert anstehen könnte, schließen alle Vorsitzenden prinzipiell nicht aus. „Man kennt die Leute an sich und hat auch auf Bezirksebene schon viele Veranstaltungen miteinander organisiert und besucht“, meint Heppelmann. Bis es gegebenenfalls irgendwann einmal soweit sein sollte, gestalten die beiden fusionierten Kolpingsfamilien aber erst einmal im Alleingang die Zukunft. Dabei möchte die Kolpingsfamilie Warstein-Hirschberg auch Mutmacher für andere Kolpingsfamilien sein, die mit dem Gedanken einer Fusion spielen. „Man braucht bei einer Fusion keine Angst zu haben, dass etwas verloren geht“, sagt Heppelmann. „Im Endeffekt ist es eine Win-Win-Situation“, ergänzt Pieper.


Fotos: Barbara Bechtloff