Februar/2021

Frischer Wind in Viersen-Süchteln

Die Kolpingsfamilie Süchteln stand vor knapp vier Jahren kurz vor ihrer Auflösung. Wie mit jeder Menge Engagement und Tatendrang von unterschiedlichen Seiten ein Neustart gelang, erzählt der erste Teil der Serie „Neuaufbrüche“.

Der neue Vorstand der Kolpingsfamilie Viersen-Süchteln seit 2020 (v.l.n.r.): Karin Heppe-Struck (Leitungsteam, Kassiererin), Maria Taube (Leitungsteam), Eva Neeten (Beisitzerin), Stefan Kluß (Leitungsteam), Jens Krees (Schriftführer).

Knapp 60 Mitglieder zählte die Kolpingsfamilie Süchteln im Kolpingwerk Diözesanverband (DV) Aachen im Frühjahr 2017. Auf den ersten Blick eigentlich kein Grund zur Auflösung einer Kolpingsfamilie sollte man meinen. Doch zu dieser Zeit hakte es an mehreren Stellen: Zum einen fand sich kein Nachfolger für das damals letzte verbliebene Vorstandsmitglied, Martin Thees. Zudem waren alle Mitglieder der Kolpingsfamilie zwischen 75 und 90 Jahren alt. Nachwuchs aus jüngeren Generationen war zu dieser Zeit nicht in Sicht.

Aus diesen Gründen hatte die Mehrheit der Kolpingsfamilie Viersen-Süchteln im Frühjahr 2017 das Vorhaben, sich aufzulösen. Im DV Aachen klingelten bei der Diözesanvorsitzenden Maria Taube, die in der Kolpingsfamilie Vorst beheimatet ist, die Alarmglocken: „Ich kann doch nicht von heute auf morgen einfach auf 60 Mitglieder des Diözesanverbandes verzichten“, stellte die seinerzeit 69-Jährige fest. Mit dieser Nachricht formte sich bei ihr ein Tatendrang und das Vorhaben, um die Kolpingsfamilie zu kämpfen und sie nicht ohne Weiteres aufzugeben.

Ohne Vorstand keine Kolpingsfamilie

Durch die regionale Nähe ihres Wohnorts war der Bezug zum Nachbarort Süchteln vorhanden. Die Diözesanvorsitzende konnte sich aus diesem Grund durchaus vorstellen, vorübergehend den Vorstand der Kolpingsfamilie zu übernehmen. Wenn sie gewählt werden würde, wäre sie auch bereit, den Vorsitz zu übernehmen, so Taube über die Situation im Frühjahr 2017. Bei der Mitgliederversammlung im April 2017 wurde sie dann letztlich in den Vorstand gewählt und leitete seitdem die Kolpingsfamilie Süchteln. Gemeinsam mit dem Diözesansekretär Peter Witte, der sich bereit erklärte, die Kassenführung zu übernehmen, gestaltet Taube seitdem ein Programm mit einer Mischung aus Angeboten zu Bildung, Freizeit und Religion und sorgt somit weiterhin für Treffpunkte im Rahmen der Kolpingsfamilie. An den Rahmenbedingungen für die Veranstaltungen wurde sich dafür zunächst an den Jahren zuvor orientiert. Einmal im Monat fand ein Kolpingabend für die Mitglieder statt, der auch von rund 20 bis 30 Personen besucht wurde.

Der Diözesanvorsitzenden tat die Arbeit an der Basis gut: „Ich habe mich immer auf Montagabend gefreut, das war ein bisschen wie Entspannung für mich“, erzählt sie und lacht. Für das Problem des fehlenden Vorstandes wurde somit eine erste Lösung gefunden. Nachwuchs war in der Kolpingsfamilie aber nach wie vor nicht in Sicht.

Auf der Suche nach Nachwuchs

Gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerkes im DV Aachen, Roland Lückfett, und der Verbandsreferentin Eva Museller überlegte Taube, wie man junge Leute auf die Kolpingsfamilie aufmerksam und sie für Aktivitäten und Engagement in dieser gewinnen könnte. Unterstützung sollte dabei durch eine 450-Euro-Kraft kommen. Diese sollte mit dem Erlös aus dem Verkauf des Kolpinghauses an die Pfarrgemeinde finanziert werden. Zwar wurde eine passende Stelle schnell ausgeschrieben – gefunden wurde allerdings niemand. Taube machte sich auf die Suche nach anderen Wegen. Der Geschäftsführer des größten Sportvereins vor Ort, ASV Süchteln, bot ihr für die Suche nach jungen Leuten eine Chance: 2018 nahm die Kolpingsfamilie Süchteln am Sommerfest des Sportvereins teil. An diesem finden sich erfahrungsgemäß zahlreiche junge Familien vor Ort ein. Mit einem Angebot machte Taube auf die Kolpingsfamilie aufmerksam und nutzte diese Möglichkeit. Am Tag des Festes hatte die Diözesanvorsitzende Flyer dabei, war mit einer meterlangen Kugelbahn für Kinder den ganzen Tag anwesend und ist dabei mit vielen jungen Familien ins Gespräch gekommen. Begeistert war Taube von diesem Tag. Den gewünschten Erfolg brachte diese Aktion jedoch auch nicht. 

Bei einer Rallye, die die Kolpingsfamilie Süchteln einige Wochen später veranstaltete, nahmen zwar einige Erwachsene und Kinder teil; aber für langfristiges Engagement in der Kolpingsfamilie gewann sie niemanden. Aufgeben kam für Taube zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht in Frage: „Wirkliche Herausforderungen oder Hürden gibt es bei mir selten – wenn eine Veranstaltung misslingt, dann ist das so und ich muss überlegen, woran das lag und schauen, dass das nicht nochmal passiert“, erzählt Taube.

Erste Erfolge

So wiederholte die Interimsvorsitzende auch beim Sommerfest des ASV Süchteln im Jahr 2019 die Aktion. In diesem Jahr erfolgreicher. Während des Tages kam sie zum ersten Mal mit den Familien von Jens Krees und Stephan Kluß in Kontakt, deren Ehefrauen Geschwister sind. Die beiden Väter und ihre Familien waren gemeinsam mit weiteren Bekannten schon länger auf der Suche nach einem kirchlichen Rahmen für Angebote, in dem sie tätig werden konnten. Die Erwachsenen der insgesamt vier jungen Familien sind seit vielen Jahren eng miteinander befreundet. Durch ihre Tätigkeit als Messdiener, im Jugendchor oder dem Jugendmesskreis hatten alle einen engen Bezug zum Glauben.

Auch Kolping war ihnen ein Begriff, einige hatten in der eigenen Kindheit mit den Eltern häufig in Kolpinghäusern Urlaub gemacht. Das Treffen zwischen Taube und den jungen Eltern war ein Gewinn für beide Seiten: Die Kolpingsfamilie Süchteln bot für die jungen Familien den passenden formellen Rahmen, um Angebote für junge Familien zu machen. Taube war auf der anderen Seite dankbar über das Engagement einer neuen Generation in der Kolpingsfamilie.

Programmstart bei jungen Familien

In das Jahr 2020 startete die Kolpingsfamilie Süchteln somit also sowohl mit einem Programm für Senioren, als auch mit Veranstaltungen für junge Familien. Große Erwartungen und Ansprüche hatten die jungen Familien dabei nicht. „Wir sind erst einmal mit der Idee gestartet, kirchennahe Angebote für unsere eigenen Kinder bzw. Kinder und Familien im Freundeskreis zu machen“, erzählt Jens Krees. Zu Ostern sollte eine Osterkerzenbastelaktion stattfinden. Coronabedingt wurde diese letztlich in die eigenen vier Wände verlegt. Materialien wurden nach Hause geliefert und das Basteln fand dort statt.

Im Mai veranstalteten die jungen Familien dann eine Wanderung zur Irmgardiskapelle auf den Spuren der heiligen Irmgard. Diese
beiden Veranstaltungen, so Krees, seien dann auch die ersten Veranstaltungen gewesen, mit denen bewusst ein Angebot für Familien geschaffen wurde, die nicht zu dem engsten Kreis der befreundeten Familien gehörten. Erreicht haben sie Familien vor allem durch persönlichen Kontakt. Doch auch auf den Online-Kanälen der Pfarrgemeinde St. Clemens in Süchteln sowie in den Sonntagsmessen machten die „Jungen Familien der Kolpingsfamilie Süchteln“ auf ihre Termine aufmerksam. Neben dem Angebot für junge Familien führte Maria Taube – unter Corona-Bedingungen und mit Lockdownpausen – auch das Seniorenprogramm weiter.

Auf neuen Wegen mit einer jüngeren Generation: Eine Familienwanderung im vergangenen Jahr war eine der ersten Aktionen der „Jungen Familien“.

Grundbaustein für Zukunft gelegt

Im Herbst vergangenen Jahres wurde dann auch formal der Grundbaustein für den Neuanfang gelegt. In der Mitgliederversammlung der Kolpingsfamilie ließen sich drei der Erwachsenen aus dem Kreis der jungen Familien in den neuen Vorstand wählen. Für die jungen Familien sei völlig klar gewesen, dass ein Engagement in der Kolpingsfamilie auch mit einem Engagement im Vorstand einhergeht, so Krees.

Seit Oktober besteht nun der neue fünfköpfige Vorstand, der sowohl von Vertretinnen und Vertretern der Seniorenarbeit als auch von Vertreterinnen und Vertretern der jungen Familien gebildet wird. Zudem wurden vier Familien mit insgesamt neun Kindern und acht Erwachsenen offiziell Kolpingmitglied. Im Rückblick sieht Krees auf das vergangene Jahr positiv zurück: „Wir sind zufrieden, für uns war 2020 das erste Jahr, in dem wir überhaupt etwas gemacht haben“, berichtet der 39-Jährige, „auch wenn es nur eine kleine Aktion ist – wir machen sie mit Herzblut. Ob wir dann letztlich zehn oder 50 Kinder erreichen – die Freude ist da und darum geht es ja.“

Die jungen Familien blicken positiv in die Zukunft. Für dieses Jahr wolle man bestehende Aktionen wiederholen, so Krees. Auch auf die Veranstaltungen in der Diözese Aachen wirft er einen Blick. Mit den jungen Familien überlege man, auch am diesjährigen Diözesanzeltlager teilzunehmen. Bei den Ausführungen von Krees zeigt sich, dass Engagement seitens der jungen Familien vorhanden ist.

Er verdeutlicht aber auch, dass ohne die Mühe von Maria Taube der Neuanfang nie gelungen wäre: „Wenn es sie nicht gegeben hätte, wäre seit Jahren in der Kolpingsfamilie nichts passiert.“ Sie zeigte Durchhaltevermögen und machte den Neustart für die Kolpingsfamilie Süchteln möglich. Mit Erfolg – heute zählt die Kolpingsfamilie 72 Mitglieder. Von einer Auflösung spricht inzwischen keiner mehr. 


Fotos: Peter Witte, privat