Mai/2021

Das sozialpolitische Gewissen: Jutta Schaad

Geht die Tagung des Kolping-Bundesvorstandes am späten Samstagnachmittag zu Ende, zieht es manche zunächst ins Freie und andere zur Theke; sie aber muss sich erstmal erkundigen, wie denn der 1. FSV Mainz 05 gespielt hat: Jutta Schaad gehört zwar der Kolpingsfamilie Offenbach-Zentral an, aber sie ist ein „Meenzer Mädche“ wie die Pfälzer sagen.

Jutta Schad (Mitte)

Wer hier geboren ist, hat die „Fassenacht“ quasi mit der Muttermilch eingesogen, was sich später auch in ihrem Engagement bei Kolping zeigen wird.

Ihr beruflicher Weg führt Jutta Schad nach der Ausbildung in ein mittelständisches Technologieunternehmen, das insbesondere mit Sonder- und Edelmetallen arbeitet und auf dem Gebiet der Medizintechnik unterwegs ist. Zunächst ist hier Arbeitssicherheit ihr Metier; als Sicherheitsfachkraft ist sie für die Unterweisung von neuen Mitarbeitern und Auszubildenden zuständig. Ehrenamtlich bringt sie sich daneben im Betriebsrat ein. Die überzeugte Gewerkschafterin weiß um die Notwendigkeit, einerseits die Interessen der Arbeitnehmerschaft gegenüber der Unternehmensleitung zu vertreten, andererseits aber auch die Betriebsratsmitglieder fortlaufend zu schulen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Zeitweise ist Jutta Schaad als freigestellte Betriebsrätin tätig. Sie ist keine Klassenkämpferin, sie denkt pragmatisch: „Wir müssen um den besten Weg für Betrieb und Belegschaft ringen. Es nützt nichts, wenn der Betriebsrat das Licht ausmacht, weil die Firma pleite ist.“

Nachdem es sie der Liebe zu ihrem späteren Mann Reinhold wegen von Mainz nach Offenbach verschlägt, wird Jutta Schaad 1976 Mitglied der dortigen Kolpingsfamilie. Hier kann sie ihre alte Liebe zur Narretei wieder ausleben; sei es als Hofdame für das von Kolping gestellte Prinzenpaar oder mit eigenen Auftritten bei Prunksitzungen. Daneben macht sie sich durch ihren beruflichen Hintergrund einen Namen als Expertin für Sozialpolitik. 2008 wird Jutta Schaad in den Bundesvorstand gewählt. Dort übernimmt sie sogleich die Leitung der Kommission „Mitwirkung in der Arbeitswelt“ im Bundesfachausschuss „Arbeitswelt und Soziales“. Nun profitiert der Verband auch bundesweit von ihrer beruflichen Expertise. Sie organisiert und führt Schulungen für Mitglieder von Betriebs- und Personalräten durch und wirbt unermüdlich für das Engagement in der Sozialen Selbstverwaltung, das für sie ein Kernelement der Kolpingarbeit ist. Als „Arbeiterführerin“ gehört sie zum sozialpolitischen Gewissen des Bundesvorstandes; obwohl zierlich an Gestalt, wenn es um die Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften geht, kämpft sie, die privat eine passionierte Sammlerin von Teddybären ist, wie eine Löwin.

Dazu passt, dass sie sich, obwohl gesundheitlich selbst nicht auf der Höhe, darüber hinaus verbandpolitisch in die Pflicht nehmen lässt. Nachdem sie zwischen 2008 und 2015 der Kolpingsfamilie Offenbach-Zentral als Vorstandsmitglied angehört hat, übernimmt Jutta Schaad 2015 auch den stellvertretenden Diözesanvorsitz in Mainz, bevor sie ab 2018 selbst an der Spitze des Diözesanverbandes steht und als stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Rheinland-Pfalz wirkt. Daneben legt sie Wert auf ihr Engagement für die weltweite Kolpingsfamilie: Sie vertritt das Kolpingwerk Deutschland in der Kontinentalversammlung von Kolping Europa ebenso wie als Mitglied des Generalrats von Kolping International. Zuletzt arbeitet sie 2017 als Delegierte bei der internationalen Generalversammlung in Lima mit.

Jutta Schaad verstirbt nach schwerer Krankheit im Mai 2018. Ihr größter Wunsch klingt wie ein Vermächtnis: Viel mehr Kolpingmitglieder sollten sich in den Personal- und Betriebsräten mit ihrem Sachverstand und ihrer Werteorientierung einbringen.


Foto: Heike Rost