Mai/2021

Wegbereiter der Deutschen Einheit im Verband: Hans Kositza

Berlin ist noch weitgehend ein Trümmerfeld, als Hans Kositza dort 1946 zur Welt kommt. Die unmittelbare Erfahrung mit den Folgen des Weltkrieges mag ein Grund sein, weshalb er Zeit seines Lebens ein sensibler und nachdenklicher Mensch bleiben wird.

Hans Kositza

Im August 1961, nur kurz vor dem Mauerbau, gelingt Hans Kositza die Flucht in den Westen. In seiner neuen Heimat im Wedding wird er 1963 Kolpingmitglied. Ein besonderes Jahr für ihn und Berlin; im Juni hat US-Präsident Kennedy seinen legendären Auftritt am Schöneberger Rathaus. 

Schon drei Jahre später trägt er Verantwortung an der Spitze der Kolpingsfamilie Wedding St. Aloysius. Neue Ideen, Witz, Theaterspiel und Vortragskunst kennzeichnen seinen Stil. „Lasst uns die Ossis und Wessis zu Grabe tragen und gemeinsam hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.“ So formuliert der gelernte Speditionskaufmann Hans Kositza, der aus dem Transportgewerbe kommt und seit 1980 beim Bundesamt für Güterverkehr tätig ist, in seinem ersten Rundbrief als Diözesanvorsitzender. 

In der Nachfolge von Günter Mix steht er ab 1991 und nun seit langer Zeit wieder einem Diözesanvorstand vor, der Mitglieder aus ganz Berlin hat. Die Teilung von Land und Stadt hat Spuren hinterlassen, auch bei Kolping. Mit viel Einsatz und Fingerspitzengefühl arbeitet Kositza für das Zusammenwachsen des Verbandes in der Hauptstadt. 

Dazu gehört die Aufarbeitung der Vergangenheit; auch innerverbandlich ist dies alles andere als eine Petitesse. Drei Jahre kämpft sich Hans Kositza in der Gauck-Behörde durch die Stasi-Akten, die den Verband betreffen. Danach ist er mit einem eigens ausgearbeiteten Vortrag in den Berliner Bezirken zu Gast. Ein Neustart nach der Wende setzt den kritischen Umgang mit der Vergangenheit voraus. Sich der Geschichte zu stellen, heißt mehr als Belehrung. Für diese Aufgabe ist Hans Kositza der richtige Mann.

Eine zunächst unscheinbare Anfrage begründet 1995 eine lange Tradition. Die brandenburgische Stadt Fürstenberg möchte ein Haus im früheren Frauen-KZ Ravensbrück sanieren und sucht beim DV Berlin Hilfe. Zunächst sind auf Initiative von Hans Kositza ein knappes Dutzend Kolpinger vor Ort, um anzupacken. Unrat wird abtransportiert, ein Haus wird entkernt. Ein Jahr später steigt die Kolpingjugend in das Projekt ein. Bei Kositzas ist Kolpingsfamilie wörtlich zu nehmen: Neben Ehefrau Rita sind auch die Kinder Daniela und Martin mit dabei. Aktiv ist die Familie unter anderem auch bei dem ersten von vielen deutsch-polnischen Jugend-Workcamps, das auf der Basis leidvoller Erfahrungen in der Vergangenheit freundschaftliche Bande für die Zukunft knüpft.

Eine Hinterlassenschaft anderer Art muss Kositza als Vorsitzender der Region Ost mitbewältigen: Die Insolvenz des Kolping-Bildungswerkes Sachsen. Eine Aufgabe, die ihm nicht nur viel Arbeit einbringt, sondern die ihn auch emotional mitnimmt. Hans Kositza weiß um die großen Risiken für den Verband und seine Mitglieder, die erst durch die letztinstanzliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgeschlossen werden können. 

Nach seinem Abschied als Diözesanvorsitzender 1995 kandidiert Hans Kositza ein Jahr später für den Bundesvorstand, dem er bis 2004 angehören wird. Ein Diskutant, der stets im Kammerton argumentiert, was seine Beiträge besonders wertvoll macht. 2005 verleiht ihm das Kolpingwerk Deutschland für seinen vielfältigen Einsatz auf den unterschiedlichsten Ebenen das Ehrenzeichen. „Solange uns Gott Kräfte verleiht, schaffen wir rüstig und wohlgemut weiter. Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen.“ Dieses Zitat Adolph Kolpings auf der Urkunde zur Verleihung des Ehrenzeichens charakterisiert Person und Arbeit von Hans Kositza in besonderer Weise. Er stirbt 71-jährig nach schwerer Krankheit im Mai 2017. 


Foto: Archiv Kolpingwerk Deutschland