Oktober/2021

Zwischen Himmel und Erde – Justin Kleinwächter

Justin Kleinwächter darf man in die Reihe charismatischer Persönlichkeiten einordnen, die das Kolpingwerk weit über die Grenzen Deutschlands hinaus geprägt haben.

Justin Kleinwächter

Dass die Ideen Kolpings zu Beginn der 1970er Jahre insbesondere in Südamerika Verbreitung finden, ist nicht zuletzt dem jungen Geistlichen aus Greven zu verdanken, resümiert etwa Hubert Tintelott, der langjährige frühere Generalsekretär von Kolping International.

Kleinwächter kommt Mitte September 1941 in Danzig zur Welt. Nach dem Tod des Vaters flüchtet die Familie mit sechs Kindern und findet im nördlichen Münsterland in Hüttrup und Schmedehausen eine neue Heimat. In Greven, wo er sich dem Bund Neudeutschland anschließt, legt Kleinwächter 1961 das Abitur ab und nimmt anschließend das Studium der Theologie auf; zunächst in Münster, später in München und in Israel. Obschon er in Münster ab 1966 dem Priesterseminar angehört, absolviert Kleinwächter seinen Wehrdienst und macht eine Ausbildung zum Fallschirmspringer. Das Abenteuer in hohen Lüften pflegt Justin Kleinwächter auch nach seiner Priesterweihe 1969. Zwei Jahre später gründet er in Münster, wo er von 1969 bis 1972 als Kaplan in Heilig Kreuz wirkt, den Fallschirmsportclub.

Nicht nur sein Hobby ist außergewöhnlich. Justin Kleinwächter ist in der Jugendseelsorge aktiv, er versteht die Sprache der Jugend, er spricht sie. Das bleibt Heinrich Tenhumberg, dem Bischof von Münster nicht verborgen. Einem diskreten Hinweis des Münsteraner Kolping-Diözesanpräses Bernhard Holländer folgend geht der Bischof in Absprache mit Generalpräses Heinrich Festing mit einem besonderen Auftrag auf den jungen Kaplan zu. Er soll von seinem Priesterdienst im Bistum freigestellt werden und stattdessen in Brasilien eine pastorale Aufgabe in der Entwicklungsarbeit übernehmen. 1972 geht Justin Kleinwächter nach Südamerika. Insgesamt sieben Jahre wird er dort wirken.

Schnell macht sich Justin Kleinwächter mit den Ideen Adolph Kolpings vertraut und entwickelt zusammen mit Generalsekretär Hubert Tintelott ein Konzept, wie im fernen Brasilien ein Nationalverband aufgebaut werden kann. Er schafft dezentrale Bildungseinrichtungen und hilft so, dass sich junge Menschen langfristig den eigenen Lebensunterhalt verdienen können. Eine dieser kleinen Landschulen in der Nähe von São Paolo wird später seinen Namen tragen, die Escola Padre Justino Kleinwaechter. Da der junge Geistliche seine Reisen innerhalb Brasiliens nicht selten per Fallschirmsprung absolviert, hat er dort bald einen Spitznamen: Der Pater, der vom Himmel kommt. Auch in den Nachbarländern Chile und Argentinien ist Kleinwächter +aktiv und leistet Pionierarbeit beim Aufbau der dortigen Nationalverbände. Noch heute hält Kolping Brasilien sein Andenken in hohen Ehren. Die Gründung des brasilianischen Verbandes 1973 ist ohne das Wirken Justin Kleinwächters kaum denkbar.

Daneben bleibt die Verbindung in die Heimat. Der Oldenburger Kolpingtag 1975 steht im Zeichen der Partnerschaft mit Brasilien. Justin Kleinwächter ist einer der Referenten, und er landet zielsicher per Fallschirm neben dem Festzelt in Wisbek. Der Erlös des Kolpingtages von über 10.000 Mark fließt in Kleinwächters brasilianische Projekte. Noch heute zeigen sich weitab der Münsterländer Heimat Spuren seiner Arbeit. Im südbadischen Rielasingen feiert die dortige Kolpingsfamilie 2019 ein Pater-Kleinwächter-Fest. Der Erlös fließt in ein Projekt in Brasilien, das die Ausbildung junger Frauen in Schönheitsberufen zum Ziel hat.

1979 kommt Justin Kleinwächter mit nur 38 Jahren auf tragische Weise zu Tode, als er in Brasilien bei einem Fallschirmsprung verunglückt. Er wird in seiner Heimatstadt Greven beigesetzt, in der die örtliche Realschule bis zu ihrer Auflösung seinen Namen trägt.


Fotos: Archiv Kolping International